Erneuerung CVP Schweiz: Vernehmlassungsantwort der CVP Kanton Zug

Der Zentralvorstand der CVP Zug und die Mitglieder der CVP Fraktion des Kantonsrats hatten Gelegenheit, die drei Vorschläge „Charta“, „Parteiprogramm“ und „Organisation“ zu lesen und zu diskutieren. Die Vernehmlassungsantwort der CVP des Kantons Zug ist das Ergebnis und die Zusammenfassung dieser Diskussion. Die Diskussionsteilnehmer repräsentierten die vielfältigen Meinungen innerhalb der CVP Zug, die Vernehmlassungsantwort enthält die Punkte, bei denen grosse Einigkeit bestand.

1. Grundsätzliche Bemerkungen / Bemerkungen zum Prozess der Erneuerung

Der Prozess wird kritisch beurteilt: aus Zeitgründen wurden alle drei Felder (Leitbild, Programm und Organisation) parallel behandelt, sodass sich Widersprüchlichkeiten oder Doppelspurigkeiten ergaben. Positiv war das grosse Engagement der Beteiligten, negativ die wechselnden Zusammensetzungen der Gruppen und die schlechte Beteiligung der Fraktionsmitglieder, was zwangsläufig zur Vergrösserung der für die CVP typischen Differenz zwischen Fraktion und Partei führen kann, statt sie zu verkleinern. Es stellte sich für uns auch die Frage, ob das Parteiprogramm in einer derartigen Detailliertheit nicht Sache der Entscheidungsträger, also der Fraktion wäre.

Zudem wäre es unbedingt angezeigt gewesen, zu definieren, was wir in der CVP unter „Basis“ verstehen: die CVP Zug versteht darunter nicht die Amtsträger und das Parteivolk, das sich am Erneuerungsprozess beteiligte, sondern die Wählerschaft, die schwindet, und die wieder zu gewinnen wäre. Wir müssen nicht uns selbst fragen, was wir in der Partei wollen, sondern danach ausrichten, was für die Basis wichtig ist, die uns nicht mehr wählt, es aber wieder tun sollte. Es ginge aus unserer Sicht also primär darum, auf die Problematik hinzuweisen, dass die Wählerbasis beispielsweise einer CVP Zug völlig unterschiedlich ist zu einer Wählerbasis der CVP Zürich, und dass man diese Problematik nicht lösen kann mit Begriffen, die für alle passen und damit nichtssagend werden. Ein Blick auf den Atlas der politischen Landschaften der Schweiz zeigt, dass die Mentalitäten der CVP Basis der Stammlande und derjenigen der CVP Basis der Agglomerationen stetig auseinanderdriften. Der Erneuerungsprozess versucht nun schon zum dritten Mal, eine Strategie für die Agglomerationen zu machen, die Stammlande in den Hintergrund zu rücken. Die Erfolgsaussichten sind auch dieses Mal nicht besser und werden höchstens zu Verlusten im Ständerat führen, ohne wesentlich Nationalrats-Mandate in den Kantonen ZH, VD, BE oder BS gewinnen zu können, in denen nur 1 Regierungsrat (BS) die CVP vertritt.

Dieses partei-interne Tabu (Stammlande-Strategie oder Agglo-Strategie) sowie das Tabu der Trennung des christlich-sozialen vom christlich-konservativen Flügel sind auch in diesem Erneuerungsprozess nicht ausdiskutiert worden. Man versucht wieder eine Einheit, die so viele Unterschiede umfassen muss, dass sie wiederum in die Nähe des Unverbindlichen gerät.

2. Zur Charta

Die CVP Zug ist enttäuscht über die Art und Weise, wie in dieser Arbeitsgruppe gearbeitet wurde. Die Führung dieser Arbeitsgruppe wechselte ständig, und es wurden in den letzten Sitzungen Themen eingebracht, die vorher nicht diskutiert wurden. Das scheint uns auch ein Grund für das heterogene Bild, das diese Charta aufweist.

Der wichtigste Einwand der CVP Zug: die Charta, also das Leitbild, ist viel zu ausführlich. Warum wechselte man übrigens vom usrprünglichen Begriff „Leitbild“ (das kurz sein muss) zu „Charta“? Es fehlt die Bildung von Schwerpunkten und die Konzentration auf einige wenige, dafür aber aussagekräftige Ideen. Es fehlt eine Priorisierung der Ideen nach wirtschaftlich-finanziellen Kriterien. Zudem sind Begriffe wie „Rechtsstaat und Demokratie“ zwar richtig, aber für ein Parteileitbild eine Banalität. Das Thema „Familie“ als eigenständiges Thema wird auch jetzt nicht hinterfragt. „Familie“ ist aus unserer Sicht ein Begriff, der wesentlich vom Element der Selbstverantwortung ausgeht, nicht unabhängig davon gesehen werden kann. Die Fokussierung auf den Mittelstand macht Sinn, aber gerade dieser Mittelstand ist geprägt vom Gedanken der Selbstverantwortung.

Das Bemühen der CVP um Eigenständigkeit neben den Polen ist zu unterstützen. Abzulehnen und zu streichen sind die pauschalisierenden Aussagen zu Sozialismus und Liberalismus, die nur einseitigen und inhaltlich übrigens völlig falschen Kampfparolen der andern Parteien gleichkommen. Eigenständigkeit kommt ohne diese pauschalisierenden Sätze aus, sie muss sich durch ein glaubwürdiges Programm zeigen. Jede Bemühung um mehr Markt und Liberalisierung gleich als neoliberal abzutun, verhindert jede wirkliche Reform der Schweiz.

Das Leitbild ist umzuarbeiten in ein eigentliches Wertepapier und zu beschränken auf die Begriffe Selbstverantwortung, Freiheit und Verantwortung, Nachhaltigkeit (wirtschaftlich, ökologisch, gesellschaftlich). Kap. 3 bis 7 erachten wir als zu detailliert und redundant, auf sie kann nach Ansicht der CVP Zug in einem Leitbild verzichtet werden, deshalb zu streichen. Dafür sollte man die Leitideen genauer fassen. Alles andere scheint uns kommunikativ nicht mehr vermittelbar.

3. Zum Parteiprogramm

Die CVP Zug beantragt, diesen Teil ans Präsidium oder an das Kernteam zurückzuweisen mit dem Auftrag, es völlig zu überarbeiten und mit dem Papier der Fraktion zu koordinieren. Das in diesem Teil geäusserte Wunschkonzert kam aufgrund wechselnder und zufälliger Mehrheiten in der Arbeitsgruppe zustande, die Frage der Finanzierung steht nirgends im Zentrum, das Ziel, das vorgegeben wurde (ein agiler Staat) ist kein Ziel, sondern als Basis müsste ein konsensfähiges Gesellschaftsbild dienen, woraus dann unter Umständen ein solcher Staat resultieren kann.

Das Programm ist nicht auf das Leitbild abgestützt. Für die CVP Zug wäre ein solches Parteiprogramm nicht verbindlich, bevor man sich nicht über die Prioritäten wirklich geeinigt hätte. Aus der Sicht der CVP Zug muss sich eine Prioritätensetzung an den Kriterien Finanzierbarkeit und Wachstumsförderung ausrichten.

Falls dem Antrag auf Rückweisung nicht entsprochen wird, möchten wir uns - nicht abschliessend - zu folgenden Punkten äussern, die uns besonders kritisch scheinen:

2.2.33. Der „starke service public“ ist kein Selbstzweck, sondern abhängig von den finanziellen Ressourcen. „Zusammengekürzt“ ist ein Schlagwort, das Effizienzüberlegungen gar nicht erst aufkommen lässt. Ist zu streichen oder zu differenzieren.

3.2.5. Die einfache Anerkennung der Alpenkonvention geht zu weit. Es sollten wirtschaftliche Anliegen der Alpenregion stärker gewichtet werden. Ist zu streichen.

3.2.18. Roadpricing wäre primär zulasten der KMU und der Randregionen, ausdrücklich erwähnte Zielgruppen der CVP. Ist zu streichen.

4.2.2. Das Rentenalter 65 sollte nicht absolut festgeschrieben werden. Eine solche Sichtweise tabuisiert jeden demografischen und wirtschaftlichen Wandel. Ist zu streichen oder zu differenzieren (was heisst „Referenzalter“?)

5.2.11. Die Beschränkung medizinischer Leistungen glattweg abzulehnen, ist zu absolut. Wäre eine Spitalkonzentration eine Beschränkung? Wo sind die Grenzen der Zumutbarkeit? Auch und gerade im Gesundheitsbereich müssen finanzielle Rahmenbedingungen nicht tabuisiert, sondern mitbedacht werden.

6.2.4. „Massive“ Erhöhung der Studiengebühren wird abgelehnt, ohne dass Effizienzüberlegungen im Bildungswesen aufgezeigt werden. Soll weiterhin tatsächlich eine Std. Tramfahren 50% einer Vorlesungsstunde an der Uni kosten dürfen? Auch im Bildungsbereich sind Ueberlegungen anzustellen, wie viel Geld welchen Nutzen bringen kann, und zu welcher Qualität.

7.2.4. Zusätzliche Staatsausgaben sind durch Einsparungen zu kompensieren. Gerade hier zeigt sich der Fehler der mangelnden Priorisierung. Würde man diesen Punkt wirklich ernsthaft umsetzen, würden sich die meisten andern Punkte des Parteiprogramms selbst aufheben.

Zu den übrigen Punkten zum Thema „Wirtschaft“ verweisen wir auf die Vernehmlassungsantwort der AWG der CVP Zug.

Eine Partei, die glaubwürdig sein will, sollte kein Wunschkonzert zur (vermeintlichen) Befriedigung der eigenen Klientel veranstalten, sondern eine weltanschaulich geprägte Strategie mit Sorge um das Gemeinwohl aufzeigen, die sich dazu äussert, was prioritär ist und wie es finanzierbar sein soll. Gerade die CVP- Idee der „Nachhaltigkeit“ verbietet es uns auf Jahrzehnte, den Schuldenberg einfach wachsen zu lassen. Will die CVP Schweiz wirklich den Aufbruch der Schweiz, dann ist eine Schuldzinsenlast in der Höhe der Bildungsausgaben gerade das Gegenteil davon und müsste entsprechend prioritär angegangen werden.

4. Zur Organisation

Die CVP Zug unterstützt die Bemühungen der CVP Schweiz, eine einheitliche Organisation zu fördern. In diesem Sinne unterstützt sie die Anstrengungen zur Stärkung der innerparteilichen Auseinandersetzung im Internet (Mitgliederbefragungen, Kommunikation etc.).

Kritisch steht die CVP Zug zwei Punkten gegenüber:

Basiskongress statt DV: dies lehnt die CVP Zug ab. Aus unserer Sicht wäre das eine Bevorzugung bevolkerungsstarker Kantone, die Stimme der CVP Zug wäre unter Umständen noch weniger zu hören. Zudem sehen wir die Gefahr, dass solche Basiskongresse je nach Thema und Tagungsort ganz unterschiedliche Gruppen mobilisieren können, und dass damit wiederum die Parolen der CVP Schweiz teilweise massiv abweichen von den Parolen der Kantonalparteien, was gerade in umstrittenen Themen der Fall war. Der Basiskongress verstärkt diese Gefahr anstatt sie zu beseitigen.

Das neue Finanzierungsmodell lehnt die CVP Zug ab. Aus unserer Sicht würde das zahlreiche Geldgeber, die die CVP Zug und deren Kandidaten unterstützen, dazu bringen, weniger oder nichts mehr zu zahlen. Manche unserer Geldgeber unterstützen die bürgerliche wirtschaftsnahe Position der CVP Zug, während sie dies nicht mehr tun würden, wenn die Mitgliederbeträge an die CVP Schweiz gingen.


Zusammenfassung
Die CVP Zug betrachtet mit Sorge die Entwicklung des Erneuerungsprozesses. Es scheint einmal mehr, dass diejenigen Kantonalparteien, die noch über Wähleranteile über 20% verfügen, die meisten Stände- und Regierungsräte stellen, zurückgedrängt werden zugunsten der Kantonalparteien, die aufgrund ihrer Positionierung und ihrem eher kleinen Wähleranteil sozial-liberal positioniert sind, aber nicht die bürgerliche Führungs- und Mehrheitspartei in ihrem Kanton sind. Der Misserfolg dieser Bemühungen ist den letzten 30 Jahren eklatant und führte zu Gewinnen der SVP gerade in den Kantonen, in denen die CVP eine Führungsrolle hatte. Diese Ausrichtung der Partei wurde immer wieder korrigiert durch die Fraktion oder die Kantonalparteien der Stammlande, was dieses widersprüchliche Bild zur Folge hatte, an dem die CVP leidet. Das neue Programm wiederholt aus unserer Sicht genau diesen Fehler, und es wird erneut eine Diskrepanz zwischen Fraktion und Partei resultieren. Dass manche Mitglieder der Fraktion mit ihrer ungenügenden Präsenz oder völligem Fernbleiben an den Sitzungen der Arbeitsgruppen dafür mitverantwortlich sind, sei ausdrücklich erwähnt.

Aus diesem Grund erachtet es die CVP Zug als vordringlich, am 18.September vor allem ein griffiges Leitbild zu verabschieden, die Organisationsreform an die Hand zu nehmen, das Präsidium personell neu zu bestellen, aber die detaillierte Gestaltung der Politik (Parteiprogramm) vor allem mit der Fraktion zu koordinieren und zu korrigieren.


Oberägeri, 27.6.04

Gerhard Pfister
Präsident CVP des Kantons Zug